°descriptio°:
Hatte ich schon erwähnt, dass Friedhöfe nix für mich sind?
Und ich weiss, warum das so ist.
Selbst bei Eintritt des Todes wird an diesen Orten die hier (nicht nur) aufgrund der „Industriellen Revolution“ kulturübliche 2-Klassen-Gesellschaft sorgsam beibehalten. Eigentlich ist es eine 3-Klassen-Gesellschaft. Wie ganz früher bei der Eisenbahn.
Die Wohngrundstücke werden tatsächlich der zu erwartenden Klientel „angeboten“. Und für die schön übersichtlich unterteilt in
– die 3. Klasse, die für die ist, die sich selbst oder deren Hinterbliebene kein hübsches Haus am See leisten können und deshalb ausschließlich nach Gutdünken der dekadenten Friedhofsverwaltung irgendwo auf’m Platz verscharrt werden, um dann nach 20 Jahren wieder ausziehen zu müssen, weil das „Ruherecht“ abgelaufen ist oder die Tür klemmt oder der Stein kippt oder einfach nur der Pachtvertrag sein Ende hat
– die 2. Klasse, die für die ist, die sich ein Plätzchen nach Wahl – also mit Terrasse und Ausblick ins Grüne – gönnen möchten und das möglichst für mindestens 30 Jahre oder vielleicht auch mehr
– die 1. Klasse, die für die ist, die genug Knatter an die Stadt und die Kirche zahlen können, um dauerhaft in Ruhe gelassen zu werden, um dann nach Ablauf des eigentlichen Pachtvertrags auch nicht samt ihres tonnenschweren Bronzegussdenkmals ausziehen zu müssen, sondern vielmehr gewiss sein können, dass sich die Allgemeinheit um deren Hinterlassenschaft kümmern wird, weil das alles schweineteuer war und immer noch schön aussieht.

Mal abgesehen von dem für mich hierzulande völlig unsinnigen Bestattungskult haben solche 1. Klasse-Gräber sicher auch ihre Berechtigung. Denn es werden schließlich verdiente Söhne und Töchter der Stadt in bleibender Erinnerung für nachfolgende Generationen gehalten. Wie die in den Weltkriegen Gefallenen. Wobei die zu ehren schon deshalb wichtig ist, weil die armen Hunde für ein paar schwachmatische Idioten ihren Kopf hingehalten und buchstäblich auch verloren haben. Das sind die reichen Schweine, die für die Bestattung armen Schweine, die für die einen zweifelhaften Tod gestorben sind, mehr als nur schuldig. Allerdings sind die Reichschweine, die auf den Friedhöfen ihre letzte Ruhe finden dürfen, nicht nur durch ihre persönliche Arbeit an ihren Reichtum gelangt. Die Industriellen dieser hier wohnenden Vertreter haben zumindest während des 2. Weltkrieges haufenweise Zwangsarbeiter beschäftigt, die den Unternehmen nix gekostet und trotzdem für schicke Umsätze und Gewinn gesorgt haben. Und das alles zum Wohle des Volkes. Und der Gefallenen …

Vergleicht man nun die Beweggründe, die dazu geführt haben, dass Industrielle und Soldaten auf dem gleichen Friedhof zu gleichen Bedingungen „ruhen“ dürfen, tut sich die aufdringliche Frage auf, warum denn nun der Otto Normal nicht das Recht haben darf, hier auf ewig beerdigt sein zu dürfen. Denn dessen Gebeine, sofern sie nach dem sogenannten Einebnen seiner Grabstelle noch auffindbar sind (soll je nach Bodenbeschafenheit ja auch keine Seltenheit sein), landen im „Gebeinhaus“ des Freidhofbaus. Und wenn die Hütte voll ist? Wird wohl heimlich Seife draus gemacht …
Man tut gut daran, den Aufbewahrungsort seiner Seele dem Feuer zu übergeben. Dann hat man wenigstens die Gewissheit, dass ENDGÜLTIG Ruhe für einen ist. Und kein anderer auf die völlig bescheuerte Idee kommt, mit dem Oberschenkelknochen oder dem Schädel noch irgendwohin zu spazieren und den Plunder irgendwo auf einen Knochenhaufen zu schmeißen um dann später, wenn auch da der Platz nicht mehr reicht, die Knochenmühle zu bemühen.
Die in der 3. Klasse sterben nicht nur einmal. Es sei denn, sie sind Soldaten.
°loco°
°ego sententiam°
Ich muss dringend regeln, was mit dem Aufbewahrungsort meiner Seele nach deren Abreise passieren soll. Verheizen ist die beste Lösung. Aber keinesfalls dann danach für teuer Geld irgendwo mit dem Aschenbecher alleine auf irgend einer Wiese und womoglich unter anderen Ruhestörern eingescharrt zu werden. Dann lieber zuhause zwischen den Büchern rumliegen und zwischendurch mal mit dem Staubwedel bepinselt zu werden.
Das ist zur Abwechslung mal ein schöner Gedanke …
°illustrationen°:
°navigation auxilium°
… man könnte auch Navigationshilfe drauf sagen. Ab hier geht’s irgendwie weiter …