2018-07-01 – NSG Offenlandinsel Osterwald

2018-07-01 – NSG Offenlandinsel Osterwald

°descriptio°:

Auf der Suche nach Stille und Dunkelheit.

Hier bei uns im hoffnungslos lärmüberfluteten weil überbevölkerten und von Dachrinnen-LEDs sinnfrei über- und dadurch rund um die Uhr verstrahlten Museum der Republik ist ständig was los. Und das wird hauptsächlich und zumeist nicht ganz uneigennützig von anderen für andere gerne so gemacht. Die hier ansässigen und mittlerweile durch 24-Stunden-Werbe-TV abgestumpften Insassen und die staunend die hier zuhauf lieblos drapierten Industrieschrottplätze begaffenden Touris müssen ja ständig irgendwie bei Laune gehalten werden, damit die nicht den tieferen Sinn des Unsinns bemerken können.

Schon im ollen Rom wussten die seinerzeitigen Obergurus den gemeinen Pöbel mit permanenter Darreichung von Brot und Spielen einzulullen und somit zu besänftigen. Solange das Brot frisch war und die Spiele nicht langweilig wurden.

Den Erben der heutigen Industrieruinen von RAG, Thyssen und Konsorten ist der Abriss ihrer verrosteten Schrotthaufen schlichtweg zu teuer. Und eine Flächensanierung gar nicht mehr möglich. Wo soll man auch hin mit den hochkontaminierten Böden? Die BeckerDeponie ist (sehr vermutlich sogar) bereits gesättigt. Und andere Bergehalden, die schon lange brachliegen und den hier hausenden Eingeborenen (und solchen, die es dort, wo sie herkommen nicht so toll finden und es deshalb hier werden wollen) das wohltuende Licht der abendlich untergehenden Sonne nehmen, wieder zu reaktivieren, würde unbequeme Fragen nach Beschaffenheit und Herkunft des Sondermülls aufwerfen.

Also lässt man die Scheiße liegen, macht die Schrottplätze für Touris unfallfrei zugänglich, stellt Klettergerüste auf für die Kleinen, damit sie lachen und nicht weinen, beauftragt Hausmeister Krause mit Pflege und Unterhalt des neu geschaffenen Freizeitzentrums, lässt einen selbsternannten Kunstkenner mit brechreizerzeugender schwülstiger Rhetorik den ganzen Schrempel zum kulturellen Erbe erheben und kann dann für das ehemals menschenverachtende Relikt, das jetzt ein offizielles Museum geworden ist, vergleichsweise horrende Eintrittspreise verlangen.

Auf den berghohen Schutthalden werden zu allem Überfluß dann auch noch sinnbefreite riesige Objekte aus Schrott gepflanzt, die nachts mit penetranter Beleuchtung angestrahlt weithin sichtbar dem angewiderten Betrachter als „Landmarke“ vertickt werden. Als Ersatz für die geklaute untergehende Sonne quasi.

Den hier nur temporär einfliegenden TouriToni aus Sachsen, Bayern oder dem Sauerland stört‘s nicht. Der ist froh, wenn für ihn hier die Nacht zum Tag gemacht wird und er sich mal ohne Aldistirnlampe tüchtig an den allgegenwärtigen Bierbuden volllaufen lassen kann.

So niveauvoll hier die Kunst ist, so niveauvoll ist auch ihre Präsentation und genau so niveauvoll ist der Großteil der sie besuchenden Kunstgenießer …

Unsere Residenz befindet sich in Sichtweite des Umspannwerks, ebenfalls ein zum Museum erhobenes Relikt aus der mittlerweile verblichenen schwefelgelben Industrieära.  Es wurde neulich erst noch aufwändig und teuer ausgezeichnet mit dem kackbraunen Wegweiser der ominösen Route eben dieser heute touristisch künstlich attraktiv hochgelobten Industriekultur. Der RWE-Trümmer wurde auch erst kürzlich für die dauerhaft angestrebte Tourifluktuation schick hergerichtet. Und anlässlich der initiierten Extraschicht 2018 bekam der ansonsten nutzlose Kabachel den letzten Schliff. Und weil’s auch außenrum aufgeräumt und sauber aussehen soll, wurde kurzerhand die umliegende Botanik rasiert. Mit dem Erfolg, daß die in vielleicht etwa 30 Jahren wieder zur Emscher renaturierte Kloake bis dahin die Luft zum Atmen nimmt, die dortigen Bewohner heimatlos wurden und alles von dem auf unserem Balkon Zuflucht sucht.

Die lautstarken und ansonsten dilettantisch wirkenden Vorbereitungen zum denkwürdigen Anlaß des alljährlich stattfindenden Ereignisses belästigen die Anwohner mehr als zwei volle Tage lang. Und am Stichtag, also am Samstag, ist schon ab Mittag keine Wochenendruhe mehr drin. Das Theater erstreckt sich bis in die Nacht und in den Sonntagmorgen. Offiziell soll der Unsinn in der Nacht zum Sonntag um 2 Uhr beendet sein. Das wissen aber die besoffenen Unterhaltungssüchtigen nur nicht und sind der Meinung, daß die hier auf‘m mallorkinischen Ballerman sind. Und die bis zum Schluß!! halbstündlich stattfindende Vorführung, bei der mit Hochspannungsstrom unter lautem Getöse Lichtbögen und Blitze erzeugt werden, vertreibt dann auch die restlichen hier noch verbliebenen Bewohner. Letztes Jahr konnten wir beobachten, daß die Fledermäuse durch den menschlich erzeugten Schwachsinn die Orientierung verloren haben. Uns haben wir den völkischen Wahn erspart und kurz nach dem Rudelsingen zur Eröfnungsfeierlichkeit des Events die Säcke gepackt und uns getastet …

Der auffrischende Ostwind schob für unser Vorhaben begünstigend Wolken und Dunst in Richtung Atlantik beiseite und machte damit unsere dünne Atmosphäre sauber und unsere dünnen Nervenbahnen wieder etwas stabiler.

Meine Recherchen hinsichtlich eines nahegelegenen Ortes, der uns zumindest ansatzweise den Blick auf einen bis vor etwa 200 Jahren als normal empfundenen  Nachthimmel ermöglichen würde, führte uns mit unserem Equickmänt ca. 130 km südöstlich ins erhofft tiefdunkle Sauerland.

Ich hatte bereits Tage zuvor mit Hilfe von Lichtverschmutzungskarten und Google Earth die Aufnahmebedingungen an verschiedenen in Frage kommenden Standorten simuliert.

Dort am letztendlich Auserwählten angekommen haben wir alles wie geplant vorgefunden. Nur die Sonne wollte selbst nach Mitternacht nicht wirklich richtig untergehen und der zu früh aufgehende Mond war ja mal gar nicht geplant.

Das Schatzi hat aber trotzdem mit ihrem winzigen Nikonteleskop den Mars, den Jupiter und noch so‘n paar Planeten unseres Sonnensystems und Sternbilder unserer Galaxie in ihren Knipskasten bekommen.

Und ich konnte zum Schluß dann tatsächlich auch Bilder von unserer Milchstraße machen. Allerdings mit qualitativen Abstrichen. Aber heute war es der Spaß, der zählen sollte und den man uns beim Verbleib in unseren vier Wänden genauso geklaut hätte, wie den anderen Einheimischen ihr Sonnenlicht.

Wenn mir vor 30 Jahren jemand gesagt hätte, daß wir ohne Weltraumteleskop sondern nur mit einer Knipskiste bewaffnet Sternenbilder aus der Hand machen würden, hätte ich den als Spinner im Raum stehengelassen …


°loco°


°ego sententiam°

Begeisterung reicht bei der Nachthimmelfotografie also bei Weitem nicht aus. Selbst wenn man sich dieser vermeintlich entschleunigten Disziplin hingeben möchte, so bedarf es nicht nur sorgfältiger Vorbereitungen und einem fahrbaren Untersatz, der günstigenfalls mit hoher Bodenfreiheit konzipiert auch noch bedingt geländetauglich sein sollte. Zudem hat man nicht alle Zeit dieser Welt, auch wenn der Nachthimmel das Gefühl von Tiefenentspannung vermittelt. Ganz das Gegenteil ist der Fall: man muss echt flott bei der Sache sein, wenn man den entscheidenden Moment nicht verpassen will. Ich habe zwar gewusst, dass der Mond es ziemlich eilig hat, aber nicht geahnt, wie schnell sich die Erde wirklich dreht.

Mit meinem altertümlichen Equickmänt kann ich dem Schatzi also keine Sterne vom Himmel holen, während sie mir mit ihrem erstaunlichen Miniteleskop ganze Planeten auf den Präsentierteller legt. Ich persönlich mache mir aufgrund der mir bekannten und nicht änderbaren technischen (und persönlichen) Schwachstellen allerdings keine Hoffnungen, jemals auch nur ansatzweise Abbildungen von unserer Milchstraße anfertigen zu können, vor denen man dann ehrfürchtig staunend innehält.

Wir haben uns aufgrund der deutlich übersichtlich verbliebenen Menge an nachzubearbeitenden Bildern dazu entschlossen, unser Arbeitspensum in dieser Hinsicht dann doch noch mal etwas zu fordern und zu gegebener Zeit, also während der Neumondphase und hoffentlich ebenfalls wolkenlosem Himmel, wieder dort hin zurück zu kehren.


Bei der Gelegenheit – also bei der Hin- und Rückfahrt – ist bei uns dann auch der Groschen gefallen:

Im Sauerland – oder besser: ausserhalb des Ruhrgebiets (achneee, das heißt ja jetzt Metropole Ruhr) – sind die Straßen nicht so deutlich abgenutzt wie in dem von Menschen übersiedelten und von LKW’s überlasteten Verkehrswegen des Museums der Republik.

In Bayern und anderen ländlichen Gebieten, wo die vorschriftsmäßige Benutzung der öffentlichen Verkehrswege nicht zu Achsen- und Genickbrüchen führen, werden die Autos älter und die Menschen sind dort – äh – propperer quasi.

Also muss der körperlich sichtbare Allgemeinzustand auch was mit der Straßenbeschaffenheit zu tun haben.

Wobei wir nicht dick werden wollen und uns nun nicht nur auf den hiesigen holprigen Straßen sondern auch auf den herrlich glatten aber kurvenreichen Strecken des Sauerlands (und anderswo) bewegungstechnisch an die Situation anpassen werden.


°illustrationen°:


°movere imaginibus°

Bewegte Nachtbilder.

  • Der Mondaufgang.

Weil’s wegen dem mit der Milchstraße nicht so toll geklappt hat, hab ich dann seine Aufdringklichkeit mal anvisiert. Allerdings war das für mich die allererste Nachtzeitrafferaufnahme. Quasi als Übung für die nächste Tour. Aber genauswenig tollerich wie der Rest von heute …

 

  • Die Milchstraße

Mein erster Versuch, den Nachthimmel mit der von links ins Bild kommenden Milchstraße über die Erdrotation sichtbar beweglich zu machen.

Allerdings hatte es mir der Mond dann doch etwas zu eilig: seine Leuchtkraft war anfangs sicher noch ganz hilfreich, um den Vordergrund schön aufzuhellen. Aber mit zunehmender Höhe nahm auch das abgestrahlte Licht zu, was wiederum den Sternenhimmel ziemlich blass aussehen ließ. Beim nächsten Mal soll das anders werden.

 


°navigation auxilium°

… man könnte auch Navigationshilfe drauf sagen. Ab hier geht’s irgendwie weiter …


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