°descriptio°:
Der Anlass
Da war’s gerade mal ein paar Tage hintereinander etwas frischer draussen und weil der Panzer in der Zeit auch nicht bewegt wurde, hat der neulich direkt nach dem Start gezickt. Eigentlich ist das ein Witz. Die Karre wird u. a. bis nach Sibirien, Lappland und Australien vertickt. Da schnurrt der auch durch die Gegend und wird ganz bestimmt nicht extra nur für die spezielle Gegend dafür dann anders als hier gebaut. Ich wundere mich nur, dass immer ICH so’n Schießpech mit den Karren haben muss. Und ausgerechnet DER jetzt sollte eigentlich auch der letzte bleiben. Weil ich annahm, dass der – bei entsprechender Pflege – auch lange hält. Aber anscheinend machen dem die Scheißstraßen hier dann doch schwerer zu schaffen als die Wüstenpisten durch die Sahara. Der Straßenzustand zergelt nicht nur an meinen altersschwachen Nerven, sondern stellt das ebenfalls nicht mehr ganz taufrische Fahrzeugmaterial auf eine ganz besondere Probe. Eis und Wüste und Regenwald und Bergpässe und was weiss ich noch für Landschaften sind für so’nen Panzer wie dem T-Modell von VW keine Herausforderung. Aber die banale Kurzstrecke von Recklinghausen nach Wattenscheid bricht alle Schlaglochrekorde und damit Achsen. Auch die vom Panzer.
Erst tippte ich aufgrund der leuchtenden Warnanzeigen auf das Steuergerät und bekam direkt Blutdruck mit Herzrasen. Weil das Scheißding, ohne das der Panzer angeblich keinen Mucks macht (was mir persönlich am liebsten wäre), ja bereits für teuer Geld repariert worden ist. Nicht auszudenken was passieren wird, wenn das blöde Steuerdings tatsächlich wieder im Arsch ist.
Um der Sache auf den Grund zu gehen bin ich dann mal wieder zum Hubert Südholt nach Heiden gefahren. Werkstatt des Vertrauens 2019, so steht da auf der Aussenwerbung. Für mich die Werkstatt meines Vertrauens seit über 15 Jahren.
Der Test des Steuergerätes ergab keine besonderen Auffälligkeiten. Ich solle nochmal wieder kommen, weil der Verdacht naheliegt, dass irgendwelche Sensoren an der Antriebsachse nicht so machen wie’se sollen. Weil Reparatur mit Teile tauschen bis zum nächsten Tag dauern kann, sollte ich ’n Ersatzfahrzeug bekommen. Der Termin zur Übergabe stand dann für heute fest.
Ich hatte zuhause mal geguckt, was es denn da in der Gegend noch so Nettes zu sehen gibt, wenn ich denn schon mal da bin. Immerhin liegt das heutige Ziel ja auf dem geografischen Breitengrad von Münster und Winterswijk. Und da fährt man angesichts der dadurch entstehenden Fahrtkosten dann doch nicht mal eben schnell so hin.
Ich wollte also das Unangenehme mit dem Nutzlosen verbinden.
Der Plan
Mit dem Finger über die Landkarte verfolgte ich die Berkel ab Gescher stromaufwärts bis zur A31. Aus Gescher stammen Bilder vom Eisvogel. Der Fotograf verriet natürlich seinen Standort nicht. Aber es war ein kleiner Fluß in Gescher, soviel war klar. Und weil’s in Gescher nur einen Fluß gibt, musste ich halt genauer hingucken. Über Google Earth konnte ich auch deutlich den kurvigen Einschnitt sehen, den der kleine Fluß in die Landschaft schneidet und mit den lehmig-sandigen Steilufern und einem lichten ufersäumenden Baumbestand dem Eisvogel ein ziemlich schönes Wohnumfeld bietet. Wenn der HIER nicht wohnt, dann isser ausgestorben …
Die Expedition
Ich hatte heute dann doch mindestens zweimal Glück:
Glück 1
das Wetter war wie vorhergesagt frostig-kalt, aber trocken und zwischendurch sogar sonnig. Aufgrund der Jahreszeit stand der Lorenz natürlich jetzt fast an seiner tiefsten Stelle über dem Horizont und blendete durch sein Gegenlicht dadurch schon ganz ordentlich. Landschaftsfotos waren damit also schon mal nicht so ohne Weiteres möglich. Aber es gab ja in unmittelbarer Nähe noch das andere Ziel: die alte Wassermühle.
Glück 2
– die genauere Inaugenscheinnahme eines erfahrenen Monteurs ergab, dass im Radkasten ein Strippenbund verläuft, der wohl nicht mehr ganz taufrisch ist. Und dort ein Kabelbruch entstanden sei, der aber vorläufig repariert werden konnte. Allerdings wurde empfohlen, bei nächster Gelegenheit den Kabelbaum auszutauschen. Ich glaube aber eher, ich lass das mal so …
Ich konnte den Panzer um 10 Uhr direkt wieder an mich nehmen. Und fuhr dann auch direkt zu meinem auserkorenen Ziel. Auf einem durch die Regenfälle der vergangenen Tage versumpften Ackerweg konnte ich den Panzer fernab der Straße einparken. Ich hatte gehofft, dass der bei meiner Rückkehr immer noch da stehen möge und nicht zwischenzeitlich während meiner Abwesenheit still und leise im Schlamm abgesoffen ist…
Die Berkelaue
war auch nur noch einige Schritte entfernt. Und ich wurde – Google Earth sei Dank !! – in meiner Annahme bestätigt: die Auenlandschaft ist fernab jeglicher Störungen. Nur der Verkehr auf der A31 macht vergleichsweise einen Höllenlärm. Aber den Eisvogel stört das nicht. Der lebt ja am Wasser und hat mit Autobahnen nun auch eher weniger was an der Mütze.
Ich inspizierte die Örtlichkeiten etwas genauer und konnte mir schon den einen oder anderen Platz vorstellen, wo man dann die Trophäenjagd stattfinden lassen könnte. Aber ich fürchte, dass ich mir zu diesem Zweck tatsächlich doch noch irgend so’n Tarnkrams besorgen muss. Ich frag mal den Junior. Vielleicht kann der ja mit passender Ausrüstung leihweise aushelfen …
Dann nahm ich Kurs zum nächsten Ziel:
Egberdings Mühle
Auf Wikipedia hat sich bislang keiner bemüht, die Geschichte der Mühle zu publizieren. Und Wikimedia Commons kennt nur einen beschriebenen Bild-Eintrag.
Der jetzige Eigentümer wird vermutlich auch kein Interesse haben, die seit dem 07.01.1991 unter Denkmalschutz stehende Ruine einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Für den zäheln rein ökonomische Gründe. Und dazu gehört offensichtlich auch, das Gebäude zügig verrotten zu lassen, um es dann irgendwann still und heimlich abreissen zu können. Erhaltungsleistungen, wie sie der Denkmalschutz grundsätzlich erforderlich werden lässt, werden hier also keinesfalls investiert und sind weder kurz- noch langfristig nicht in Planung, wie mir scheint …
Wie der Name der Mühle schon vermuten lässt, befindet sich das alte Gemäuer im Privatbesitz. Da müsste ich also erst mal fragen, ob ich auf das Grundstück darf, um meiner sportlichen Aktivität nachzugehen. Ich nahm mir diese Option aber als Plan B vor die Brust. Und suchte erst mal nach einer geeigneten Stelle, um unbemerkt auf das Grundstück und somit an die Mühle zu kommen. Rantasten war also angesagt.
Die augenscheinlich schon lange nicht mehr aktive Mühle wird nördlich von einem kleinen Bach umflossen, der mit dem Marschgepäck und einem kaputten rechten Kniegelenk wohl kaum – ohne sich nasse Füsse zu holen – zu überwinden ist. Im Sommer geht da gar nichts. Dann kommt man wegen dem Gestrüpp nicht vom Weg und schon gar nicht bis zum Bach runter. Aber im Spätherbst/Winter ist es üblich, alles nieder zu sensen und ich hatte freie Sicht auf meine Begehrlichkeit. Die ich dann aber mangels allgemeiner Tauglichkeit doch nur über den Landweg erreichen konnte.
Eine alte Zufahrt zur Mühle war ebenfalls quasi geräumt und begehbar. Mangels Laubdeckung musste ich mich vorsichtig auf das Gelände vortasten. Es stank nach Schweinegülle und ein Treckerfahrer zog auf dem angrenzenden Hof einen Güllewagen hin und her. Der hatte mich aber aufgrund meiner Vorsicht nicht bemerken können.
Das war Glück 3, was mir heute hold war.
Ich tummelte mich erst draussen auf dem plattgesensten Gelände rum, um die eine und andere Aussenaufnahme der alten Gebäude zu machen. Heute war mal wieder HDR angesagt. Aber weil ich ständig aufpassen musste, dass mich keiner erwischt, konnte ich das Stativ nicht aufstellen und musste versuchen, die Bildreihen freihändig zu machen.
Eins geht eben nur: entweder unverwackelte Bilder aber dann erwischt zu werden. Oder unbehelligt leicht verwackelte Bilder zu bekommen. Ich nahm draussen sicherheitshalber die zweite Option in Kauf.
Dann fand ich auch durch ein Fenster im Erdgeschoß direkt den passenen Einstieg in die Ruine und sah mich darin von links nach rechts und von unten bis oben gründlich um. Hier war ich definitiv ungestört, solange ich mich selbst unauffällig und ruhig verhielt. Von Vorteil war auch, dass kein Fenster zur Hofseite ausgerichtet war und von draussen keiner reingucken konnte. Umgekehrt war’s auch nicht möglich. Und wenn sich draussen was geregt hätte, hätte ich das rechtzeitig bemerkt und entsprechende Maßnahmen ergriffen, um meine Entdeckung zu vermeiden.
Es war dann auch äusserst spannend, Schuhsohlenabdrücke auf den morschen und staubigen Holzbodendielen und den von Holzwürmern ausgehöhlten Treppenaufstiegen zu vermeiden. Und dabei auch möglichst keinen Krach zu machen, falls man durch die Decken nach unten in den Keller einbricht.
Die kleine Reiseurne hat hinsichtlich Spurenvermeidung auch hier vortrefflich seine Funktion erfüllt und ich brauchte nach der Rauchpause keine Stummel irgendwohin deponieren, wo sie nicht hingehören.
Als ich der Meinung war, das Innenleben ausreichend erforscht zu haben, versuchte ich dann auch, über das Stauwehr an die Südseite des Flusses zu gelangen, um das Mühlengebäude von dieser Stelle zu bekommen.
Das war auch spannend. Weil man vom Hauptwohnhaus der Familie Egberdings direkt auf die Mühle gucken konnte und ich nicht sicher war, ob sich hinter den Fenstern nicht doch irgendwann zufällig mal einer hinstellt und mal so doof rausguckt um dann ausgerechnet mich am Flußufer kletternd zu erspähen …
Am Flußufer wurde es dann auch noch mal spannend, weil ich keine Hochseefischerbekleidung bzw. keinen Taucheranzug anhatte…
°loco°
°ego sententiam°
Ich fühlte mich nach der Mühlenaktion irgendwie belohnt. Planung und Ausführung sind nämlich genau so verlaufen, wie ich mir das gedacht hatte. Das bestätigt mich darin, solche Sachen besser nicht immer nur dem Zufall zu überlassen. Und das scheinen andere Knipskistendompteure genauso zu handhaben.
Das soll nicht heissen, dass spontane Entdeckungen nicht ihren Reiz haben.
Aber ich glaube mittlerweile schon, dass man für ein entsprechendes Resultat auch mal die Glaskugel bemühen sollte. Wobei natürlich dann auch die Wahl der Nachbearbeitungsparameter zu einem Ergebnis führt, das man vorher – aufgrund des Einflusses der natürlich wirkenden Parameter wie Bewölkung, Sonnenstand Umgebungslicht – erst mal so nicht bestimmen konnte.
Ich bin nur froh, dass die Ausgangsbilder nach erster Durchsicht im Ergebnis als durchaus brauchbar für fast jeden gewünschten Nachbearbeitungseffekt geworden sind.
Es hätte in Anbetracht der teils recht widrigen Umstände auch schlimmer kommen könnnen…
Die Mühle habe ich also abgefrühstückt (solange die noch steht). Und damit der Nachwelt erhalten. Kann sein, Bauer Egberding hat noch Fotos mit dokumentarischem Wert. Aber mit dem Verfall der Mühle geht auch ein Stück Geschichte.
AproPopo Geschichte. ich entdeckte auf meinem Spaziergang unter der Autobahnbrücke der A31 eine für mich unverständliche Hinweistafel. Dass die Tafel auf das Ereignis des Autobahnbaus im Jahr 1983 hinweisen sollte und es sich dabei um den Streckenabschnitt 3 mit dem Brückenbauwerk 2 der Straße handelt, war erstmal klar. Aber was sollte die untereinander geschriebene Aufzählung bedeuten?
Dann dämmerte es mir: es war ein Typenschild der Firma Bongardt aus Velen, die die Brücke errichtet hatte und dafür Blei und Eisen verballert hat. So erkläre ICH mir das …
Obwohl ich skeptisch bin, dass in der Brücke Blei verbaut wurde. Wofür …?
Rätselhaft. Aber egal.
Wenn ich so sehe, was zudem derweil hier in der Region so verändert wurde und voraussichtlich auch noch verändert wird, bekommen Bilder vom alten Zustand vielleicht mal eine besondere Bedeutung für die Nachwelt.
Nicht, dass ich irgendwie altmodisch erscheinen möchte und das Neue grundsätzlich ablehne (was übrigens nicht ganz so abwegig ist …). Aber ich werde die besondere Bedeutung ganz bestimmt nicht mehr erleben.
°supplementum°
Es geht sich dann später hier auch nur noch um den Eisvogel. So hoffe ich …
°illustrationen°:
°navigation auxilium°
… man könnte auch Navigationshilfe drauf sagen. Ab hier geht’s irgendwie weiter …