°descriptio°:
Eigentlich war der Plan, heute mal einen Blick nach Dortmund zu wagen. Die Industriebrache der ehemaligen Jucho Stahlbauwerke wäre interessant gewesen. Die Städteplaner waren aber schneller und haben alles abgerissen. Für Baumärkte und anderen Scheiß, den auch keiner braucht.
Dann kam das Schatzi auf die Ausweichlösung, dem Städtischen Friedhof Hordel in Bochum einen Besuch abzustatten, um bei der Gelegenheit in Erfahrung zu bringen, ob die Grabstätte der Großeltern Schwerfel noch besteht.
Ich persönlich hab das ja nicht so mit Friedhöfen. Dem Schatzi zuliebe sind wir aber da hin. Das Grab von Oppa Schwerfel, der 1991 verstarb, wurde eingeebnet. Wie so viele der hier angelegten Grabstellen. Die Gräberfelder selbst empfinde ich als – nunja – nicht sehr ansprechend. Friedhöfe kenne ich anders. Hier wurden Mauern um die Grabfelder gesetzt. Als Toter würde ich mich eingesperrt fühlen. Und irgendwie auch abgesondert von den anderen Kollegen, die auf dem Nachbarfeld wohnen. Obwohl hier alle eins gemeinsam haben, wird hier in der Wohnanlage keine Gemeinsamkeit erzeugt. Und der trauernde Angehörige rennt hier quasi vor die Wand.
Ich als Aussenstehender und erholungsuchender Besucher konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, als dass hier von den Friedhofsplanern „Massengräber“ angelegt wurden, nachdem die aten Grabplätze eingeebnet waren. Und die Einebnung erfolgte wohl auch etwas zu früh. Oder der Boden ist zu weich. Die neuen Gräber, die auf die alten aufgesetzt wurden, sind auf jeden Fall alle in einer ziemlich doof anzusehenden Schieflage. Auch die neuen Grabsteine, die alle noch gar nicht lange dort stehen, haben schon bedrohliche Neigung angenommen und scheinen demnächst umzukippen. Friedhofsplaner und Städteplaner haben somit eins gemeinsam: sie wollen alles zu schnell verschlimmbessern, wenn’s nicht mehr so in’s wirtschaftliche Konzept passt.
Bewohner mit Holzklingelschild sind besser aufgestellt. Mit dem Nachteil, dass der Steinmetz sich nicht in Sachen Holz auskennt und die Grabkreuze lackiert hat, anstatt eine vernünftige wetterfeste Lasur aufzubringen. Steine sind hingegen relativ wetterunempfindlich. Das weiss der Metz auch. Aber falsch bearbeitetes Holz ist nunmal nicht wirklich was für draußen. Hauptsache: Geld verdienen. Dem Toten ist das wurscht. Nur die Hinterbliebenen müssen nach dessen Ableben noch tüchtig bluten. Ziemlich schräger Totenkult hierzulande …
Und weil die Hinterbliebenen – wenn sie denn selbst noch leben – die Knatter auch nicht mehr so dicke haben, bleiben Gräber verwahrlost und ungepflegt. Es sei denn, man heisst WATERKOTTE oder so. Dann kann man sich zu Lebzeiten ’n schickes Stück kaufen und da ’n Denkmal drauf bauen lassen, damit das auch ja nicht abgerissen wird, weil sowas schnell mal unter Denkmalschutz gestellt ist. Das wird dann im Nachgang von der Allgemeinheit gepflegt. Weil’s ja teuer war, schön aussieht und das alles so bleiben soll.
Strukturwandel – da wäre ich wieder bei den korrupten Städteplanern und neumodernen Immobilienhaien wie z. B. die RAG – und dadurch bedingt Abwanderung mangels einträglicher Verdienstmöglichkeiten mangels bezahlter Arbeit, Geldmangel der wenigen verbliebenen Schäflein, abfallende Sterbequote und Überalterung der Gesellschaft sowie Kirchenaustritte mit steigender Tendenz haben wohl dazu geführt, dass die katholische Kirchengemeinde Herz Jesu an der Röhlinghauser Straße 6 mangels Steuereinnahmen und leerer Klingelbeutel dann ebenfalls in 2007 den Deckel draufmachen musste. Der Klotz von 1927 steht also schon etwas länger leer. Selbst die Glocken hat das THW mittlerweile rausgeschraubt. Wahrscheinlich wurden die Bimmeln eingeschmolzen und nach Islamabad verschifft, um Kanonen daraus zu löten. Aber ich durfte trotztdem nicht an die Kirchenwand pinkeln. Das Schatzi hat’s mir verboten. Die Bude ist mittlerweile komplett geräumt. Das haben wir aus sicherer Quelle eines täglich dort mit seinem Fiffi laufenden Eingeborenen erfahren.
An anderer Stelle ist zu lesen, dass die benachbarte evangelische Kirchengemeinde 650.000 Euro Schulden habe und ihre Bimmelhütte vertickt hat. Daraus werden angeblich Wohnungen gemacht. „Wohnen in der Kirche“; ich möchte nicht wissen, was die jetzigen Eigentümer da für ’ne Miete aufrufen werden. Vielleicht kommt die katholische Obrigkeit ja auch auf den Trichter und macht aus ihrem Altbau für blöde Schafe ’n schicken Neubau für reiche Schweine. Die Bücherei ist leer und die Glocken sind raus. Kann also nix mehr den ge-wohnlichen Aufenthalt stören. Um den Wohnwert und die Miete insgesamt zu steigern muss nur noch ’n Kabelfernsehanschluß da rein…
Den haben die „Bewohner“ des Hauses der alten Apotheke an der Hannoverstraße 60 wohl nicht. Oder besser: nicht mehr. Die Bude steht dem Anschein nach leer. Aber der Schein trügt. Der Wandel hierzulande geht also soweit, als dass die von den eingeborenen Bewohnern verlassenen Buden einer gewissen Klientel von sogenannten „Zuwanderern“ wieder eine neue Bleibe bieten. Denen scheint es lotti, ob die Heizung rockt. Muss wohl auch am Klimawandel liegen …
°loco°
°ego sententiam°
Es wandelt sich alles. So oder so. Nichts bleibt wie es ist. Und nichts hält ewig. Da bin ich froh, dass ich nicht die Ambition hege, meiner Nachwelt mit irgendwelchen sinnfreien Hinterlassenschaften auf’n Sack zu gehen …
°illustrationen°:
°navigation auxilium°
… man könnte auch Navigationshilfe drauf sagen. Ab hier geht’s irgendwie weiter …