°descriptio°
Genau genommen liegt dieses NaturSuchGebiet gar nicht in Hamm. Auf Hammer Boden wohl schon, weil Styrum zu Hamm gehört. Aber es liegt geografisch doch dichter an Werne dran. Wobei ich mit Werne nichts zu tun habe, weil ich bislang noch nie da war. Nicht wissentlich zumindest. Vielleicht mal da durchgefahren. Aber das zählt nicht. Schon gar nicht bei Expeditionen. Bei denen kommt man nämlich zwangsläufig durch so einige Orte, vor denen mich meine Eltern schon gewarnt haben.
Diesen Teil der Lippe hatte ich mir als heutiges Expeditionsziel deshalb auserkoren, weil ich für die sehr wahrscheinlich bevorstehende Schönwetterphase, die hoffentlich keine Dürrekatastrophe wird, ein adäquates alternatives Aquarevier gesucht habe, um das mir liebgewordene Luftschiff zu Wasser zu lassen. Der Kanal hat halt seine Grenzen, die man – wenn überhaupt – nur mühsam mit seinem Plunder am Mann und dann bei Tageshitze von mehreren dreissig Grad (ich hatte tatsächlich mal mehr als 50°C gemessen, als ich das Schiff an der Schleuse Crange umsetzte) überwinden kann. Ausserdem hat sich gezeigt, dass der Kanal während der Saison einen regen Zuspruch erfährt. Was hinsichtlich der wachsenden Zahl der hiesigen Verstrahlten nicht wundert.
Wobei nicht ALLE völlig verblödet sind.
Manche wissen sich trefflich zu helfen und ignorieren einfach alles, was um sie herum passiert.
Das kann ICH nicht so gut, will das auch nicht in meinem hohen Alter noch lernen und handel deshalb eher pragmatisch mit der bewährten Vermeidungsstrategie. Die mich hier wegbringen soll, damit mir die Völker im Sommer nicht mehr auf meinen schwachen Nerven rumtrampeln können. Denn der Kanal ist hier mit Wegen gesäumt. Zu Recht. Hier ist unbestritten der schönste Streckenabschnitt des Rhein-Herne-Kanals. Aber eben auch der am besten besuchte. Selbst auf dem Wasser wird es in den Hauptverkehrszeiten so eng wie auf der A40 in Bochum. Denn das Freizeitverhalten passt sich dem Geld an, was die Leute zur Verfügung haben. Und die kaufen sich dann eben mal bei Decathlon ’n Schlauchboot oder ’n Stehpaddelbrett. Die Dinger heissen natürlich bei Decathlon anders. Ständabpaddelling klingt doch auch viel exotischer und irgendwie hawajanisch, und mit so ’nem hippen Namen lässt sich dann auch gleich das Interesse der unfähigen Klientel und mit denen dann ’ne Mark mehr verdienen.
Ja, und dann sind da noch die mit den Moderbooden, für die man wie beim Audo ’n Führerschein braucht.
Einige von denen sind ja ganz nett und vernünftig und nehmen Rücksicht auf die Badegäste (baden im Kanal ist verboten, wird hier aber geduldet, weil kein luschiger Ordnungshüter unbedacht den Zorn des Pöbels auf sich ziehen will …).
Und bei den Moderboodfahrern ist es ähnlich wie mit den Audofahrern:
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Wer bremst, verliert.
Und die WaSchPo fährt nur sporadisch mal die Strecke ab. Höchstens einmal die Woche, so hörte ich. Manchmal aber auch am Tag zweimal. Es ist eben auf’m Kanal hinsichtlich des Polizeiaufkommens genauso unsicher wie auf der Autobahn.
Auf der Lippe fährt keine Polizei. Aber auf der Lippe kann man auch nicht überall fahren. Die hat – im Vergleich zum Kanal – natürliche Grenzen. Also die Lippe. Die Polizei auch, trotzdem das PolG mittlerweile geändert wurde, aber ich will jetzt nicht vom Thema abschweifen.
An der freien Fahrt hindert nämlich auch dieser enorm strömungsintensive Fischaufstieg, der mit Kanus und Kajaks durchaus Spass macht. Aber mit dem Luftschiff sollte man sowas vielleicht dann doch nicht versuchen. Das würde lippeabwärts vielleicht ja noch gerade so gelingen. Aber wenn man zurückpaddeln will, wird die auf dem Hinweg lustige Schlittenfahrt dann zur Sackgasse. Ausserdem ist die Strömung der Lippe trotz der Mäanderung ziemlich flott unterwegs und man kann kaum dagegen an paddln. Kann man schon, aber das macht nur Sinn, wenn man mal auf’m Punkt stehenbleiben möchte. Was also nur dann Sinn macht, wenn man mal so gucken will.
Schon in meiner Sturm-und Drangzeit vor 40 Jahren wussten Eingeborene zu berichten, dass in der Lippe besser kein Bad zu nehmen sei, weil die unberechenbaren Strudel auch dem geübten Schwimmer die Luft zum Atmen nehmen können.
Wir haben es als junge Purschen dann auch gelassen und uns am Ufer nur mit viel Grillfleisch und noch mehr Bier beschäftigt, um nicht auf dumme Gedanken zu kommen. Heute wäre das undenkbar, dass man draussen in die Botanik ’n Grill hinstellt. Nicht, weil irgend ’n Förster dann Stress macht. Sondern, weil es viel zu viele Hundebesitzer gibt, die mit ihren Tölen ALLGEGENWÄRTIG sind, und Händies, die die mit sich rum tragen. Wegen ihrem Vierbeiner müssen die da lang laufen, würden aber vielleicht lieber auch mal nur da so sitzen. Es ist also der pure Neid, der die treibt, die Ordungshüter über die entdeckte unerlaubte Handlung zu informieren. Man kommt sich vor wie damals in der DDR, wo jeder bei der StaSi war und sich auch alle gegenseitig in die Pfanne gehauen haben …
Und GENAU SO würde sich das auf der Lippe für einen harmlosen Luftschiffkapitän dann auch darstellen. Die Lippe ist auf diesem Streckenabschnitt ein Naturschutzgebiet. Das ist auch gut so. Gut ist auch, dass der Schiffsverkehr auf der Lippe insgesamt streng reglementiert ist. Hier, an dieser Stelle, ist das Wasserlassen von Paddlschiffen grundsätzlich verboten. Selbst die Anwohner, die ihre Prunkbuden und Paläste ans Lippeufer stellen konnten und über ihr bis ans Ufer grenzendes Grundstück mal rasch über eine Leiter oder einen Steg ein kühles Bad oder den einen oder anderen Kubikmeter Wasser für die Gartenpalme nehmen können, haben – so weit ich das überblicken konnte – keine Schiffe da stehen. Kann sein, die werden in der Garage versteckt und nur rausgeholt und zu Wasser gelassen, wenn gerade keiner guckt.
Wie auch immer: hier mit dem Luftschiff ’ne Paddltour zu machen ist unmöglich.
Bleibt also tatsächlich nur der Kanal. Da lässt mich zwar der Pöbel nicht wirklich in Ruhe, aber dafür muss ich dann auch keine Angst haben, dass mich die Wassergurken rauswinken …
Eins geht eben nur…
°loco°
Ein kleiner und im entspannten Tempo gemütlicher und beschaulicher Spaziergang, um mir hier nur mal einen Überblick zu verschaffen, weil das Wetter gerade so schön ist …
°ego sententiam°
Die letzten Tage war schlecht mit Bewegung. Was vor 2 Jahren Schulternacken war, hat jetzt die Hüfte. Das macht mich irre. Gut dabei ist aber, dass es diesmal genauso schnell weggeht, wie es gekommen ist, wenn man sich zwingt.
Was am Sonntagmorgen dann auch für mich der Grund des zeitigen Erwachens war. Ich hatte mir anlässlich der erfreulichen Samstagglaskugel, die für heute Wetter versprochen hat, vorgenommen, mal zeitig das Weite zu suchen, um eben mal zu gucken, wo man denn ungestört rumschippern kann.
Wach geworden und aufgestanden bin ich also kurz nach 5. Da war noch herrlich ruhig. Sonntagmorgen halt. Meinen Kaffe hab ich auf’m Freusitz dann aber doch eilig runterstürzen müssen, weil Albert – der Besoffski von oben – auf die gleiche Idee mit dem Frühaufstehen kam und direkt ungehemmt sein Fußballradio gezündet hat. Sonntagsmorgens um halb 6 !!
Der kennt weder Ruhe noch Gnade.
Der muss um diese Zeit schon oder immer noch so dicht gewesen sein, dass der noch nicht mal reagierte als ich ihm angedroht habe, hochzukommen um es ihm wegzunehmen.
Um kurz vor 9 Uhr war ich dann endlich auf der Piste. Und der Verkehr nahm auch mit jeder passierten Autobahnauffahrt zu. Nur gut, dass Hamm – bzw. der avisierte Zielort – nicht allzu weit weg ist.
Ich fand einen Parkplatz an einem ev. Friedhof. Der liegt direkt an der Bundesstraße. Hier möchte ich aber auch nicht tot über dem Zaun hängen wollen, geschweige denn bestattet werden. Auf diesem Friedhof ist es ja NOCH SCHLIMMER als auf dem der Bochumer Straße.
Ein paar Meter gelaufen war dann auch der zunehmende Straßenlärm der Sonntagsfahrer, die ihre Spezialkrachanfertigungen aus der Garage holten um alle Welt dran teilhaben lassen zu können, was für geile Tüppen die vermeintlich sind, nicht mehr ganz so deutlich zu hören.
Es ist also überall das gleiche Dilemma: die Leute dürfen sich für ihr Geld, das ihnen wahrscheinlich auch nur die Spasskasse geliehen hat, alles kaufen und anderen damit auf’n Sack gehen. Das nennt sich dann Individualismus. Den ich persönlich ja auch befürworte. Die Spasskasse auch. Die verdient daran.
Aber die persönliche Freiheit endet immer da, wo andere sich gestört fühlen.
Albert hat das auch nicht begriffen …
°supplementum°
Gut möglich, dass ich heute nicht das erste und auch letzte Mal hier bin. Wenn das Wetter es hergibt, ich kein Bock auf ’ne anstrengende Expedition habe und nur mal ’n bischen spazieren gehen möchte – Bewegung soll ja insgesamt sehr gesund sein – dann kachel ich hier noch mal hin.
Hier ist eigentlich – im Moment noch – nix, davon irgendwann dann aber mal besonders viel …
°illustrationen°:
°navigation auxilium°
… man könnte auch Navigationshilfe drauf sagen. Ab hier geht’s irgendwie weiter …